Back to top

Den Wandel verstehen

Eröffnung: Freitag  20 Mai,  19:00 Uhr, Circle Culture Gallery, Berlin

Die Kulturplattform art perspectives geht in die dritte Auflage und präsentiert mit An Endless Curve eine Pop-up-Ausstellung, die Positionen von 7 internationalen, in Berlin lebenden Künstlerinnen versammelt und nach dem Wesen der Transformation fragt

In Zeiten globaler Krisen, politischer Turbulenzen und gesellschaftlicher Diskurse, die eher polarisieren, statt konstruktiv nach Lösungen zu streben, spielt Kunst eine entscheidende Rolle. Sie inspiriert und ermöglicht es immer wieder aufs Neue, uns selbst zu reflektieren und unser Verständnis der Welt über alle Grenzen und Unterschiede hinweg zu kommunizieren. Kunst sucht den Bruch, strebt danach, bestehende Formen, Erfahrungen, Praktiken, Identitäten und Gemeinschaften neu zu modellieren. Und so kann sie uns im Idealfall dabei unterstützen, eine sich rasant verändernde Welt auf materieller und immaterieller Ebene neu und besser zu verstehen. Besonders seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie, welche das globale gesellschaftliche Ungleichgewicht in vielerlei Hinsicht drastisch verstärkt hat, scheint uns dieses zentrale Erkenntnispotenzial von Kunst relevanter und dringlicher als je zuvor.

Genau daran möchte auch die Pop-up-Ausstellung An Endless Curve anknüpfen. Sie versammelt die Arbeiten von sieben internationalen Künstlerinnen, die sich mit alchemistischen Prozessen und Ritualen von Transformation beschäftigen. Zentral dabei ist das Konzept der Sublimation. Sublimation, in ihrer Vielzahl an räumlichen und zeitlichen Kontexten, steht immer in Verbindung mit einem Transformationsprozess. Das Verb sublimieren leitet sich vom lateinischen sublimare ab, zu Deutsch „erhöhen“. Die frühe Verwendung des Wortes ist aus dem 14. Jahrhundert belegt, als beschreibender Begriff eines alchemistischen Reinigungsprozesses. Das englische Adjektiv sublime hat dieselbe etymologische Wurzel und umschreibt eine ästhetische Erfahrung von Erhabenheit, die weder gemessen noch adäquat wiedergegeben werden kann.

Aus der kunsthistorischen und philosophischen Perspektive umfasst das Konzept der Sublimation die komplexe Wechselbeziehung zwischen der materiellen und der immateriellen Welt, aber auch die soziokulturellen Aspekte der Kreation und Produktion von Kunstwerken sowie deren Rezeption im jeweiligen Kontext. Des weiteren ist Sublimation ein Schlüsselkonzept der Psychoanalyse, von Sigmund Freud beschrieben als die Transformation von Libido in künstlerische Energie.

An Endless Curve versammelt künstlerische Positionen, die zugleich Ausdruck persönlicher Erfahrungen sind als auch archivierender Forschung, Experimentation und Beobachtung. Sie konfigurieren ein Feld an künstlerischen Positionen, das Dekontextualisierung, Neuaneignung, Auslöschung und Transposition beinhaltet. Und jede der Künstlerinnen nähert sich diesen Themen auf eigene, einzigartige Weise, indem sich physische, universelle, politische und spirituelle Dynamiken von Transformation und Gleichgewicht in Kunstobjekten materialisieren.

Dabei war es uns wichtig, nicht nur eine große Bandbreite an Biographien abzubilden, sondern auch ein möglichst breites Spektrum an künstlerischen Medien zu präsentieren: Malerei, Skulptur, Videokunst, Textilkunst und Installation. Für die deutsche Künstlerin Mariana Hahn etwa sind Archive, Archivierungsprozesse und Aspekte von Körpererinnerung und Genealogie zentrale Konzepte, übersetzt in Installationen und Objekte aus und mit Salz. Die Jordanierin Dina Khouri setzt sich in ihren Gitterarbeiten mit den politischen Aspekten von Repräsentation und den Konsequenzen von fehlender Repräsentation auseinander. Die chilenische Künstlerin Valentina Berthelon schafft audiovisuelle Gesamtkunstwerke, die Naturgewalten und physikalische Gesetze mit dem menschlichen Körper in Beziehung setzen, während die minimalistischen Papier- und Leinwandarbeiten von Kim Bartelt zur Reflexion über das Wesen von Malerei an sich einladen. Der Querschnitt wird durch die Positionen der Textilkünstlerin Muriel Gallardo Weinstein (Chile), Kallirroi Ioannidou (Malerei, Griechenland) sowie Anna Nezhnaya (Neonobjekte, Russland) vervollständigt.

Wie die Art-Perspectives-Ausstellungen Foreign Affairs (2019) und Memories of Now (2020) bündelt auch An Endless Curve ausschließlich weibliche Positionen. Trotz der fortlaufenden Debatte über Gleichberechtigung wird Künstlerinnen nach wie vor deutlich weniger Aufmerksamkeit und Anerkennung zuteil als ihren männlichen Kollegen. Auch für das Jahr 2022 stellen wir fest: Kunst von Frauen ist in Galerien, Auktionshäusern, Museen und Sammlungen nach wie vor signifikant unterrepräsentiert. Eines unserer Hauptziele bleibt daher auch in diesem Jahr, dieser Schieflage entgegenzuwirken und mit unserer rein weiblich besetzten Ausstellung einen Impuls für allgemein größere Sichtbarkeit von Frauen in der zeitgenössischen Kunstwelt zu setzen.

Kunst hat das Potenzial, Integration zu stärken und im gesellschaftlichen Diskurs zu substanziellem Austausch anzuregen. Wir laden Sie mit art perspectives herzlich dazu ein, sich inspirieren zu lassen und Teil dieses Prozesses zu sein.

art perspectives ist eine Initiative des Berliner in|pact media Verlags und wurde 2019 von Mitgründerin Sara Karayusuf-Isfahani ins Leben gerufen.
An Endless Curve wurde kuratiert von:
Lorena Juan, Claudio Aguirre.

Das Magazin „DIE KUNST“ erscheint im in|pact media Verlag / @inpact_media_verlag als Kunstspecial der Juni-Ausgabe des Capital Magazins / @capitalmagazin.